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Autorenprofil Charakter Hund Tiergeschichten

Lacy

Name:
Lacy/Lucy
Wohnort:
Bad Pyrmont
Alter:
2,5 Jahre, 6. Dezember
Geburtsort: 
Lippe
Beruf:
Arbeitslinie
Körper:
Schlanker, drahtiger Körperbau,
ca. 63cm Schulterhöhe, schwarz-weißes Fell, blaue Augen, schwarze Nase
ausgeprägtes Gebiss, Oberkörper stark ausgeprägt, lange Beine.
Angewohnheiten:
Verspielt, extrem eigenwillig, laufen-weit!
Kleidung:
schlicht
Begabungen:
Arbeitet bis zum umfallen, muss ziehen
Wesenszug:
Sehr neugierig, ängstlich, verspielt
Vergangenheit:
unbekannt
Antagonist:
Gelbe Säcke!

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Diary Hund Lacy

Auf den Hund gekommen

© Dan Prescot

Hi!

Ich bin Lacy.

Das ist natürlich nicht mein richtiger Name. Ich arbeite unter einem Pseudonym. Dadurch das ich in mein Rudel gekommen bin, habe ich meinen Namen gewechselt. Ursprünglich hieß ich Lucy, aber die Beta in meinem Rudel hieß genauso.

Als Neuzugang musste ich also meinen Rufnamen ändern. Einen kurzen Augenblick rief man mich Maze. Von Mazekeen glaube ich. Zum Glück war meine Alpha dagegen, so hieß nämlich meine kleine Schwester.

Nun, ich habe beschlossen von jetzt an, ab und an über meine Geschichte und meine Abenteuer zu berichten.

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Gedanken Gedanken

Tragisch

Meine Familie sitzt am Ufer des Steinhuder Meeres. Wir schauen auf das Wasser und bewundern an diesem schönen Tag die Aussicht. Meine jüngste Tochter zeigt auf das Ufer, an dem sich die Pollen auf dem Wasser gelegt haben. „Schaut doch, das ist Feenstaub!“
Darauf die Mittlere trocken:“ Ja, von Tinkerbell. Die ist da ertrunken.“
Ich glaube es ist Zeit weiterzugehen.

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Kurzgeschichte

Wie die Dinge sich fügen…

Als ich in die Nebenstraße einbog, setzte zwei Fahrzeuge vor mir ein roter Van den Blinker und machte eine schöne geräumige Parklücke, für mich frei.

„Na“, dachte ich, „dir auch noch einen schönen Nachmittag und Danke auch.“

Damit besetzte ich den scheinbar einzigen freien Platz, in den völlig überfüllte Stadtviertel am Samstagmittag. Gut gelaunt und ohne Zeitnot ging ich in die Fußgängerzone, um meine Verabredung in einer halben Stunde zu treffen. Auf den Weg zum Eiskaffee stoppte ich mal vor diesem, mal vor jenem Schaufenster, um die Auslagen zu studieren. Diverse Autofirmen stellten die neuesten Modelle zum Probesitzen aus und verteilten freizügig Luftballons und Popkorn. „Popkorn“ dachte ich mir, „wäre jetzt gar nicht schlecht“ und schlenderte zu der netten Dame, die gerade wieder eine Tüte befüllte. Für mich, wie sich jetzt herausstellte. Mich höflich bedankend, setzte ich mich wieder in Bewegung, zu meiner Verabredung. Die örtliche Zeitung hatte, auch einen Stand aufgestellt und warb mit Probeabos und Freiexemplaren um die Gunst der Käufer. „Zeitung,“ dachte ich, „ist gut, weil meine Verabredung manchmal recht unpünktlich war. So nahm ich also mein Probeexemplar in Empfang und ging weiter in Richtung zu meinem Treffpunkt. Einige Meter hinter einem Autohändler teilte eine Partei, die ich zwar nicht mochte, die aber einen schönen Kaffeebecher mit noch besseren Kaffee darin, großzügig an die potentiellen Wähler aus. Interessiert bat ich um das Werbegut plus Inhalt welche mir umgehend und mit freundlicher Mine ausgehändigt wurde. Sofort versuchte man mich in ein Gespräch zu zwingen. Da ich zwar noch gut in der Zeit lag aber ich weiter gemächlich schlendern wollte versprach ich intensiv über die Vorzüge dieser Partei nachzudenken und schlenderte weiter. Als der Kaffe getrunken und das Popkorn gegessen war, erreichte ich das Eiskaffee und hielt nach einem freien Platz Ausschau. Vergebens. Etwas überrascht suchte ich noch mal alle guten Plätze. Nichts! OK, sagte ich mir, ruhig bleiben. Ich sah genauer hin. Nichts! Stop, dort hinten ein Tisch mit nur einer Dame. Die geht bestimmt gleich. Höflich fragte ich ob ich mich mit an den Tisch setzen könne bis etwas frei würde. Die Dame lächelte und deutete mir, mich zu setzen. Wir unterhielten uns recht angeregt eineinhalb Stunden. Auf den Rückweg dachte ich noch angestrengt über einen Urlaub nach, der mir noch fehlen würde…

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Kurzgeschichte

Schattenwelt

© Dan Prescot

Er ging durch die nassen Straßen der grauen Stadt. Schneematsch säumte die Straßenränder. Von seinen Haaren lief das kalte Wasser über seinen Nacken den Rücken hinunter. Er spürte es kaum. Die wenigen Menschen denen er begegnete spien weißen Dampf aus ihren Mündern. Niemand berührte die Welt des Anderen. Sie hätten genauso gut auf verschiedenen Welten sein können. Seine Augen sahen die Welt zersplittern. Eine in Licht getauchte, grelle, hektische Welt und eine in Dunkelheit gehüllte, ruhige vergessene Welt. Freundliches Vergessen. Ein träges, schmerzauslöschendes Vergessen. Er schloss die Augen und ging in die Schatten.

Die Notiz der anderen Personen kam zu spät.

Der Rettungswagen kam zu spät.

Die Reue kam zu spät.

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Kurzgeschichte

Wolken am Grashalm

Es summte. Der Busch, der an dem Schuppen hoch wuchs, summte vor Bienen. Weiße unscheinbare Blüten lockten allerlei Insekten an, aber vor allem eben Bienen. Zwischen dem Schuppen und dem Nachbarzaun ging ein Weg zu der Wiese. Dort standen eine Holzbank, ein steinernder Wasserspeier mit einer eingemeißelten Fratze, der aber niemals Wasser spie und rundherum waren verwilderte Beete. In diesen Beeten wuchs und wucherte das Unkraut. Doch es roch herrlich. Wilde Blumen wuchsen auf der Wiese, die immer zu lang war und selten gemäht wurde. Schmetterlinge flatterten unschlüssig von einer Blume zur anderen. An den Rändern des Gartens standen hohe Bäume, die vom Efeu langsam erdrosselt wurden. Dicht, ganz dicht und geheimnisvoll waren die Baumkronen zugewachsen. Viele Vögel versteckten sich in diesem Kleinod inmitten der Stadt. Über allem lag der Duft des kleinen Kräuterbeets. Je nach der Woche, ja sogar der Tag spielte eine Rolle, herrschte ein anderer Geruch vor. Mal scharf und wild, mal würzig und auch schon mal süß.

Die Blüten der Büsche und Bäume und auch die Blumen auf der kleinen Wiese kleideten den Garten in ein lebendes Gewand, das sich im Wind bewegte und mit den Jahreszeiten wechselte.

Wenn ich den Garten betrat, nahm ich eine Ausstrahlung wahr wie bei einem Menschen und fühlte seine Stimmung, die mich stets willkommen hieß.

Manchmal ließ ich mich in das Gras fallen. Links und rechts stiegen die Grasstängel in den Himmel und versuchten nach den Wolken zu stechen. Wie Zuckerwatte, eben Wolken am Grashalm. Der warme Wind bewegte die Wiese wie einen Haarschopf und flüsterte einem lustige Geschichten in die Ohren. Dabei malte er unsichtbare, geheime Zeichen auf meine Haut. Mal mit einem leichten Wogen wie in einem Ozean, mal als wild tanzender Derwisch.

Prickelndem Brausepulver gleich fühlte die Haut das Gras. Ein Bett aus grünem Traum. Wolken, die über die Sonne zogen, morsten geheime Botschaften auf mein Gesicht.

Armeen von Käfern erkundeten die neue Landschaft, die plötzlich aufgetaucht war. Wenn ich die Augen schloss, huschten Schatten über die abgedeckte Netzhaut und ließ Geschöpfe entstehen, die ihre Gestalt und Charakter nur der Fantasie verdankten.

Dies war das vergessene Reich, der Ort, an dem alles versprochen und nichts verlangt wurde. Hier war Geborgenheit, die kein Mensch nehmen konnte.

Die Zeit hat ihren Tribut gefordert und die Insel mit sich genommen. Manchmal entdecke ich noch etwas von diesem Eiland. In einem Lied, einer Geschichte, einer Landschaft oder auch an einem Menschen. Doch das alles sind nur Bruchstücke, um die Erinnerung wach zu halten. Als Ganzes gibt es den Garten nur noch in meinem Herzen, wo ich ihn oft noch besuche. Dann schreite ich wieder durch das Gras und höre die Vögel. Rieche die Kräuter und sehe die Wolken zwischen den Baumkronen ziehen. Dann wird lebendig, was so lange schon gegangen ist.

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Kurzgeschichte Leben

Dämmerung

Jean war jetzt das zweite Jahr an das Bett gefesselt. Ich hatte ihren langen Kampf gegen die Krankheit mitverfolgt. Mitverfolgen müssen! Dieses aussichtslose Auflehnen und die täglichen vielen kleinen Schlachten gegen das Vergessen. Ihr allmähliches Abgleiten in die Dunkelheit.

Ich wusste, dass der heutige Tag ihr letzter war. Seit einigen Stunden saß ich nun an ihrem Bett und wartete. Meine Gedanken weilten in der Vergangenheit und schreckten vor der Zukunft zurück. Dieses stumme Stehenbleiben während alles weitergeht. Dieses entsetzliche Verblassen von allem, was Jean einmal ausmachte.

Sie lag auf dem Krankenbett und ihre Augen blickten lichtlos, ohne Fokus in das Nichts. Schwer hob und senkte sich ihr Brustkorb. Rang um jeden Atemzug. Ich stand auf und schaute in ihr Gesicht. Die Wangen eingefallen und fahl. Die Augen leer.

Ich hielt den Atem an. Da war etwas, nicht greifbar und formlos. Doch-da war etwas. Anders als in den Erinnerungen, ungezwungener, freier doch eindeutig Jean. Nur flüchtig und nur einen winzigen Augenblick. Dann war der Faden wieder verloren. Noch immer hielt ich den Atem an. Dann senkte sich ihre Brust ein letztes Mal. Ruhig verströmte sie ihren letzten Atemzug. Ihre Augen brachen und alles war ruhig.

Nur draußen in der Nacht trommelte der Regen gegen die Fensterscheiben.

Das Geräusch drang an ihr Ohr. Zusammenhang und bedeutungslos. Früher mochte sie das Geräusch. Es vermittelte ihr Geborgenheit und Ruhe.

Ihre Augen sahen Licht und Schatten, Farben und Bewegung. Doch nichts davon nahm sie wirklich war. Der schwache, säuerliche Geruch von Verfall erreichte sie längst nicht mehr.

Jeans Welt bestand ausschließlich aus Gefühl und Reaktion. Sie kannte kein Gestern und kein Morgen. Das Jetzt war unmittelbar. Immer seltener durchbrach etwas ihre Isolation. Die Müdigkeit ließ ihre Perioden des Dahindämmerns länger und inhaltsloser werden. Nur manchmal blitzte so etwas wie Erkenntnis, Erinnerung auf. Dann wurde Jean unruhig. Immer wieder entglitten ihr die Gedanken, sie ahnte den Verlust. Dann wurde sie traurig. Doch auch den Grund dafür vergaß sie bald. Dann war sie nur noch traurig. Und schließlich verging auch das.

Jean aß und trank nicht mehr von allein. Sie fühlte den Hunger und den Durst, doch kannte sie die Bedeutung nicht mehr. Irgendwo in ihrem Gehirn hatte sich das Leben verbissen. Millionen Jahre Evolution sorgten mit eiserner Kraft für die Kontraktion des Herzmuskels und der Lungentätigkeit. Herzschlag für Herzschlag. Atemzug für Atemzug. Der Geist hatte den Körper längst verlassen. Doch manchmal hob sich der dunkle Vorhang für Augenblicke, um entsetzt zurückzuschrecken. Ihre Träume waren bar jeder Erinnerung ohne Erkennen. Unbefleckt, ohne die Traumata des Lebens. Wie ein Neugeborenes, so rein. Licht und Farben ohne Namen, Freude und Traurigkeit. Immer öfter tauchte sie in diese reine Sphäre, die zu ihr gehörte. Ihr Schutz vor dem Unbehagen, der Angst und Hilflosigkeit.

Bald kannte sie die Grenze ihrer Welt. Diese Barriere, die sie nicht durchblicken konnte. Diesen letzten Schritt, der sie zurückhielt und behinderte. Doch etwas Neues war da. Etwas zog sie auf die andere Seite. Einen kurzen Augenblick schaute sie zurück um dann ohne Mühe und gelassen hinüberzuschreiten.

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Kurzgeschichte Leben

Rose´s Garden

Graue Wolken zogen in einem nicht end

en wollenden Strom über Rose dem Horizont entgegen. Der Wind zerrte und zupfte an ihrer Kleidung, gerade so als wolle er, dass sie ihn auf seiner Reise begleitete. Sie stand am Rand ihres Gartens und schaute den Vorboten des nahenden Unwetters hinterher.

Schon rollte das erste dumpfe Grollen über die Hügel und Ebenen der einsamen Gegend. Rose wandte sich ab und ging über den von Blumenbeeten gesäumten Pfad, den ihr Mann Fred noch selbst mit Ziegeln gepflastert hatte, auf ihr Haus zu. Sie hatte damals die Rosenstöcke gepflanzt und trotz der Kinder und der Hausarbeit die Zeit gefunden, den Garten zu pflegen. Sie kannte und liebte jeden einzelnen Winkel, jede Pflanze und jeden Strauch. Ihre Rosen waren ihr Leben. Der kommende Regen würde gut für den Boden sein. Doch wenn Hagel dabei wäre, würden die Blumen leiden. Wieder blickte sie zum Himmel auf. Die Wolken waren hoch und dunkel. Bestimmt würde Hagel kommen. Als erste Ankündigung der kalten Jahreszeit. Rose blieb vor den Rosenstöcken stehen.

Sie hatte sich damals auf die modernen Rosensorten festgelegt, weil die nicht so füllig in den Blütenständen ausfielen und sie für Rose die feine Eleganz und Einzigartigkeit der Rosen verkörperten. Sie liebte die helle, cremige Farbe, die klare Linie und den intensiven Duft der Julia´s Rose. Ihre Freude war der Farbverlauf von hellem Rot in intensives Gelb der Double Delight mit den weit auffächernden Blütenblättern. Doch immer wenn sie an den Stöcken der Remember Me – Rosen innehielt, mit ihren feinen Linien, dem intensiven Rosé und dem atemberaubenden Duft, dann war sie in Gedanken bei ihrer Familie. Fred hatte sie ihr damals zum dritten Hochzeitstag geschenkt. Es waren die ersten Rosen für ihren Garten gewesen. Sie hatten gerade das Haus gekauft und oft war das Geld knapp und die Not groß gewesen. Die Rosen waren mit der Familie gewachsen und hatten sie dabei durch alle Höhen und Tiefen über die Jahre begleitet. Hatten in der Not Trost gespendet, mit dem Kinderlachen farbenfroh geblüht und nach Freds Tod die Einsamkeit mit ihr geteilt. Auch ihre Zeit war nah. Sie konnte spüren, wie das Leben sich stückchenweise von ihr zurückzog. Es betrübte sie zu wissen, dass sich niemand mehr um das Haus, den Garten und besonders um ihre Rosen kümmern würde. Keines ihrer Kinder mochte hier leben. Sie hatte versucht, einige Zimmer zu vermieten aber niemand hatte sich auf die Anzeigen hin gemeldet. Letztlich war es gut so, sie hätte es doch nicht ertragen, Fremde in ihrem Haus zu wissen.

Behutsam fuhr sie mit der Hand über die samtigen Blüten ihrer Rosen, über die noch nicht erblühten Knospen, die prachtvollen Blütenstände und die welken Blätter. Jeder Windstoß riss neue Blätter aus den Büschen und ließ sie in einen Blütenregen aus Rosenblättern eintauchen.

Sie zog das Tuch um ihre Schultern enger an sich. Es wurde kalt. Ihr Blick fiel auf eine der Blüten. Die Blätter am Rand waren ein wenig eingerollt, in der Mitte war die Knospe noch fast geschlossen und die Blütenblätter an der Spitze leicht nach außen gewölbt. Die rosa Farbe war kräftig und wurde zum Rand hin blasser. Durch das schwindende Licht wurden die Zwischenräume der Blütenblätter zu dunklen Akzenten, die die Schönheit dieser Blüte betonten. Der Geruch war betörend und beschwor Erinnerungen aus glücklichen Tagen herauf. Nichts störte die Vollkommenheit dieser Rose. Sie war gut. Es war gut. Rose lächelte.

Diese Blume war das Dankeschön aus all der Zeit, all der Not und Arbeit. Gedankenverloren streckte Rose ihre Hand aus, um die Blume zu brechen. Und hielt inne. Nein, keine Vase, kein Gefäß konnte diese Schönheit aufnehmen. Nichts wurde ihr gerecht. Nur die Zeit, die Arbeit und die Liebe, die in dem Stück Erde steckten, die sie umgab. Liebevoll berührte Rose die Blume. Ja, es war gut. Für einen kurzen Augenblick war alles vollkommen und ein tiefer Frieden erfüllte sie.

Dann ging sie ins Haus, zu all den Erinnerungen. Rose setzte sich in ihren Lehnstuhl, um sich von diesem Tag, von diesem Leben auszuruhen und schlief ein. Sie hörte nicht mehr, dass die ersten Hagelkörner auf das Dach des Hauses fielen und die dunkle Jahreszeit verkündeten.

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History

Eine stille Reise

Anselmus geht den Gang entlang. Die Wände links und rechts sind feucht und moderig. Seine Kleidung ist zerrissen und schmutzig. Die Ketten an den Händen und Füßen sind kalt und rau und haben die Haut aufgerissen. Ein wenig hinter ihm gehen die zwei Stadtwachen mit ihren Hellebarden. Anselmus hat es nicht eilig, doch immer wieder wird er gestoßen. Als er das Verließ durch das schwere hölzerne Tor verlässt, blendet ihn die Mittagssonne. Es ist heiß, nach den Tagen und Nächten in dem Kerker. Der Geruch der Stadt drängt sich ihm auf. Fäkalien, Schweiß, Staub und abgestandenes, fauliges Wasser. Der leichte Wind schafft es nicht sein klebriges Haar zu bewegen. Einen Augenblick stockt Anselmus im Schritt. Sofort schlägt einer der Stadtwachen ihn seinen Lanzenschaft hart auf den Rücken. Anselmus strauchelt und stürzt zu Boden. Die schweren Stiefel seiner Henkersknechte treten solange auf ihn ein, bis er sich wieder hochgedrückt hat. Sein Gesicht ist an mehreren Stellen blutig. Mühsam schleppt er sich weiter und öffnet vorsichtig die Augen. Er blickt die schmale Gasse entlang zu dem Marktplatz, wo der Galgen wartet. Die Sonne leuchtet alles auf dem Marktplatz aus. Den ungeduldig warteten Mob, die angebundenen Pferde der Wachen und die Ziegen der Bauern, das unterbrochene Markttreiben, um auch ja nichts von dem Schauspiel zu verpassen. Er geht weiter die Gasse entlang. Im Schatten der schmalen, zweigeschossigen Fachwerkhäuschen der ehrbaren Bürger. Einige Insekten schweben im Sommerlicht über der scharf gezeichneten Schattenlinie vor ihm. Er schließt kurz die Augen. Ihm folgend der scharfe Klang der Stiefel, die er so gut kennt. Als er aus den Häuserschatten tritt, blendet ihn das Licht ein weiteres Mal. Er blinzelt, um nicht wieder zu stürzen. Nochmals könnte er nicht aufstehen und die Wachen würden ihn aus Wut halb totprügeln, müssten sie ihn doch mitschleifen. Sein Kopf schmerzt entsetzlich und die Sonne bohrt sich erbarmungslos durch die Augen. Anselmus blinzelt die Tränen fort und versucht seine Augen mit den Händen zu beschatten. Doch die Ketten, die seine Arme und Beine fesseln, sind zu kurz. Der Mob schreit und tobt, als er den Marktplatz überquert. Fauliges Gemüse und Steine treffen ihn. Es schmerzt. Mühsam erklimmt er die Stufen zum Galgen. Der Henker greift nach seinem Arm und zerrt Anselmus unter den Strick. Ein Stoffbeutel wird ihm über den Kopf gezogen und das erbarmungslose Licht wird von einer wohltuenden Dunkelheit abgelöst. Der Beutel muss wohl im Schatten gelegen haben, denn er kühlt sein Haupt. Undeutlich hört er den Gerichtsdiener seine Missetaten und sein Urteil herunterleiern. Der Mob schweigt. Das Murmeln des Gerichtsdieners erinnert ihn an einen Bach auf den Feldern in seiner Jugend. Oft war er dem Bachlauf gefolgt. Auch dieses Mal läuft er mit ihm um die Wette, mit dem kleinen Stück Holz, das er hineinwirft. Die Sonne am blauen Himmel schmerzt ihn nicht, sie wärmt nur seine Haut. Das Gras unter seinen bloßen Füßen ist weich und saftig. Die Luft ist klar und duftet nach Gräsern und Kräutern. Er lacht laut auf und freut sich an der Bewegung. Schließlich kommt er an den Bachsturz und übermütig stößt er sich ab und springt, als ob er nie wieder auf den Boden aufkommen will.

ENDE

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Science Fiction

-Epilog-

© David Scholtissek

Die Weser fließt unter mir dahin. Ich stehe auf der Brücke zum Werda und betrachte das Päckchen in meinen Händen. Hendrik hat es mir gegeben, im Krankenhaus, als ich ihn besucht habe. Viel geredet haben wir nicht. Es strengt ihn zu sehr an, wegen dem Morphium. Das Packet ist ein letzter Hinweis. Ich muss lächeln. Er belehrt mich immer noch.

Außerdem hatte er recht, wie mit so vielem. Es bringt einen um.

Aurora ist nach Hannover gezogen. Ich glaube, inzwischen geht es ihr besser. Frank ist ihr da eine große Hilfe. Es schmerzt an sie zu denken, auch sie hatte recht. Den Schatten meines Geistes werde ich niemals los, jetzt da ich weiß das sie irgendwo dort draußen ist.

Über die Brücke laufe ich zurück ans Ufer, Richtung Stadtkern. Ich überlege kurz, wohin ich gehen soll. Jede Entscheidung, die wir treffen beeinflusst unser Leben und das Leben Anderer. Die schlechteste Entscheidung, die wir dabei treffen können, ist die, nicht zu entscheiden. Man verliert die Freiheit zur Selbstbestimmung.

In einem Cafe auf dem Weg kehre ich ein. Ich will wissen was Hendrik mir gegeben hat. An einem freien Tisch setze ich mich und lege das Päckchen vor mir auf den Tisch. Bevor ich es aufreiße weiß ich bereits, dass es ein Buch ist. Vorsichtig löse ich die Schnürung, falte das Packpapier auf. Ein abgegriffenes Taschenbuch liegt vor mir. Der Einband zeigt ein Öde, auf der ein leeres, aufgeschlagenes Buch liegt. Eine Schreibfeder steckt in den leeren Seiten, Blut tropft aus der Wunde.
Der rote Löwe.

Eine Stimme an meinem Ohr, die mir den Atem raubt:

„Kann ich dir etwas bringen?“

ENDE