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Kurzgeschichte Mystery

Kapitel 1 -Weißes Rauschen-

Drohne
© Dan Prescot

Den PMR-Empfänger habe ich auf Radio-Empfang umgestellt. 108MHz, UKW. Das ist keine Frequenz, die die offiziellen Propaganda Sender beanspruchen. Ein – zweimal im Monat sendet hier ein Piratensender echte Nachrichten, mit niedriger Sendeleistung. Müsste ich schätzen, würde ich sagen etwa 15W. Das entspricht einer Reichweite von etwa 30-50 km, wenn von einem Berg oder einer Erhöhung gesendet wird. Es ist fast 22:00 Uhr. Heute wird wohl nichts mehr passieren. Dann knackt es und der Empfangsteil des Funksprechgerätes geht auf Empfang. Der internationale Notrufkanal, 149,025 kHz im FM-Band!

Bandit, Bandit, Bandit! Attack! Music go!“

Das war´s mit dem ruhigen Abend. „Bandit“ bedeutet feindliches Flugzeug, „Attack“ bedeutet genau das, Angriff und „Music go“, eben eine oder mehrere Ablenkungen. Ich prüfe kurz mit welcher Leistung der Aufruf reinkam und schätze die Entfernung auf etwa 7-9 km. Meinen Kram einpackend, ziehe ich mich unter den BW-Poncho zurück, den ich als Plane abgespannt habe, neben einem umgestürzten Baumstamm. Der Poncho schirmt meine Körperstrahlung ab, wodurch ich schwerer zu orten bin. Das Display des PMR decke ich ab und stecke den Anschluss des Ohrhörer in das Gerät. Die Empfangsempfindlichkeit senke ich ab. Rauschen…

Dann heißt es warten. Vermuten würde ich Flugzeuge, wahrscheinlich Staustrahltriebwerke, also einen Jet. Das bedeutet eigentlich keine Gefahr für mich, da Jets viel zu schnell sind, um sich an so kleinen Ziele wie einzelnen Personen auszulassen. Doch dieser Krieg ist anders. Ich habe schon Dinge gesehen, die es eigentlich nicht geben dürfte. Zuletzt in Bochum.

*

Hey Jess, linke Flanke!“

Uffz Kutscher in der Hocke, den Kopf nach hinten, mir zugedreht, schaute mich an und wartete auf mein Einsatz. Es wurde ernst. Die Lippen zusammenpressend, nickte ich. Geduckt sprintete ich hinter der Häuserecke los, über die mit Unrat und Trümmer übersäte Straße, dicht hinter mir folgte Kai. Als ich die Häuserecke auf der gegenüberliegenden Seite erreichte, peitschten die ersten Schüsse auf und schlugen in der Häuserwand ein. Amateure! Die Schüsse schienen von einem Kleinkaliber abgefeuert zu werden. Wahrscheinlich keine Miliz, eher Bandenmitglieder. Die machten sich immer öfter in den Ruinen breit. Uffz Kutscher schickte zwei weitere Kameraden, rechts um das Haus. Kai und ich schlichen um die Häuserecke. Bis jetzt hatte niemand von uns gefeuert. Trotzdem schoss der Feind unregelmäßig auf beide Häuserecken. Auch die Schüsse waren ungenau. Irgendetwas stimmte hier nicht. Niemand mit minimaler Kampferfahrung würde ohne genaues Ziel schießen. Das verriet nur den eigenen Standort. Mich beschlicht das Gefühl, das wir hier einem Köder aufsaßen.

Plötzlich gellten Schreie auf. Zunächst konnte ich den Ursprung nicht genau bestimmen. Dann wurde mir klar, dass sie von der anderen Seite des Häuserblocks kamen, dort wo Kai und ich gestartet waren.

Was zum …warte hier“

Kai spurtete zurück zur Häuserecke und bliebt abgrubt stehen, als wäre er gegen eine Wand geprallt. Er ließ Amy, sein Sturmgewehr fallen, riss die Arme an den Kopf, vor sein Gesicht und fing ebenfalls an zu schreien. Noch näher an der Häuserwand drückte ich mich, wobei ich in die Hocke rutschte. Mein Hals war trocken und mir wurde heiß. Kai ging auf die Knie, sein Schreien wurde zu einem Wimmern, seine Arme sanken vom Gesicht an seine Seiten, hilflos. Vorsichtig und ruhig glitt ich auf den Bauch, das Gewehr vor mir, die Finger der rechten Hand am Abzug, den Kopf auf die Seite, zu Kai.

Seine Haut die nicht von dem Kampfanzug bedeckt war, war feuerrot. Seine Augen waren milchig, trübe. Blasen bildeten sich auf den Händen und im Gesicht. Dann fiel er vornüber und war still. Alle waren still. Ich wagte nicht zu atmen. Minutenlang schaute ich reglos in die Richtung meines gefallenen Kameraden. Plötzlich war da Bewegung gegenüber der Straße, hinter meinem gefallenen Kameraden. Einige Gestalten bewegten sich durch die Barrikaden, kamen näher an ihre Opfer heran. Ich wartete, mit mahlenden Zähnen und dem Geschmack von Eisen im Mund.

Die Scheiße funktioniert jedes Mal!“

Ja man, dass ist unser Viertel! So geht das nämlich!“

Ruhe! Verteilt euch. Chris, Marten, auf´s Dach. Ich will keine Überraschungen. Mia und Ash, filzt sie. Nehmt die Waffen, Munition und alles Essbare! Und nehmt dem Kleinen das KK weg.

Die Gestalten verschwanden in verschiedenen Richtungen, in oder um Gebäude. Nur der Anführer blieb einen Augenblick stehen, bevor er sich umdrehte und zu dem Gebäude links über die Straße blickte. Genauer zu der Garage an dem Gebäude. Viel Zeit würde mir nicht bleiben, bis alle auf ihren Positionen waren. Zugegeben hatte er seine Leute gut postiert. Möglichst leise richtete ich mich auf und brachte meine Waffe im Anschlag.

Los, rüber zu der Garage! Leise und schnell!“

In einigen Sekunden sind meine Leute in Stellung.“

Dann beeilst du dich besser, sonst bist du der nächste am Boden!“

Da er anstandslos zu der Garage ging, nahm ich an, dass hinter der Tür noch weitere Personen warteten. Vermutlich um die Waffe zu bedienen, die meine Kameraden töteten.

Wenn Du möchtest das deine Leute und du das überleben, öffnest du die Tür vorsichtig und rufst deine Leute zu dir!“

Mit diesem Satz zischte ich all meine Wut, Hass und Entschlossenheit in sein Ohr. Es wirkte!

Er schob das Tor vorsichtig hoch.

Elias, Finn, Sophia kommt her!“

Das war keine Bitte, das war ein Befehl. Auf das Äußerste gespannt, beobachtete ich, wie die Drei gerufenen hinter einer riesigen Apparatur mit bizarr aussehenden Antennen hervorkamen und stehenblieben, als wären sie gegen eine Wand geprallt.

Wir bleiben alle ruhig und keiner tut etwas unüberlegtes! Die Knarre steht auf Automatik und das Magazin ist voll! Los die Hände hoch und Du,“ ich drücke die Mündung des Gewehrs in den Rücken des Anführers, „gehst zu deinen Leuten.“

Als er die Anordnung ausgeführt hatte, musterte ich die Straßenbande. Keiner von ihnen war über Achtzehn, ausgenommen der Anführer, den ich auf etwa Zwanzig schätzte.

Wann kommt der Rest deiner Leute wieder?“

Er zögert einen Moment, wägte seine Chancen ab.

Sie müssten fast durch sein, bis auf Chris und Marten.“

Meine ruhige Musterung bereitete ihm Unbehagen. Er wusste, eine falsche Handlung und sie wären alle erledigt.

Die Wachen auf dem Dach. Wie geht es jetzt weiter?“

Ihr habt meine Leute getötet. Der Rest vom Zug folgt uns. An deiner Stelle würde ich mir überlegen, wie du die Zwei von dem Dach runter bekommst.“

Kann ich jemanden schicken?“

Ich schüttel den Kopf.

Haben die Beiden eine Funke mitgenommen?“

Eins der jungen Mädchen nickte.

Ruf die Beiden hierher!“

Als das Mädchen zögerte herrschte er sie an:

Los!“

Hey Louis, fette Beute! Wir haben…“

Durch den Wortwechsel hatte ich die beiden Plünderer von draußen nicht kommen sehen. Während mein Kopf herumfährt, wusste ich bereits das es ein Fehler war. Aus den Augenwinkeln sah ich die Bewegung in der Gruppe. Ich ließ mich fallen. Das Handfunkgerät des jungen Mädchens quäkte auf:

Hey hier tut sich was! Da kommen etliche Soldaten, die…“

Der Rest ging in dem beginnenden Schusswechsel unter. Von draußen hörte ich das schwere MG losrattern.

*

Ein leises, gleichmäßiges Geräusch, nicht mal ein Brummen, lässt mich den Himmel absuchen. Mit einem alten, kleinen Fernglas entdecke ich nach langem Suchen eine dunkle Silhouette am Himmel. Eine Drohne, militärisch, hohe Qualität. Amerikanisch, schätze ich. Muss aber nicht sein, da ich schon chinesische, sogar arabische in den Konfliktzonen gesichtet habe. Es ist eigentlich egal zu wem das Ding gehört. Da es so niedrig fliegt, ist sie hier um Ärger zu machen. Jetzt bin ich froh unter dem Poncho Schutz gesucht zu haben und überlege einen Moment den Poncho zu mir herabzuziehen. Dann dreht die Maschine ab und fliegt in die Richtung aus der ich den Funkspruch vermute. Nach einigen Minuten sehe ich Lichtblitze hinter einem Hügel aufflammen. Sekunden später erreicht mich das Grollen der Explosionen. 7 Sekunden Verzögerung. Da lag ich mit meiner Entfernungseinschätzung gar nicht so schlecht. Dann steigt ein Lichtblitz Richtung Himmel und setzt den Himmel in Brand. Soviel zu dem ruhigen Abend. Schnell greife ich meine Sachen und verstaue sie im Rucksack. Die Bänder des Poncho löse ich von den Punkten wo ich ihn gespannt hatte und streife ihn mir über. Bis morgen muss ich einen möglichst großen Abstand zwischen dem Gefechtsplatz und mir gebracht haben. Irgendwer wird morgen vorbeischauen und herausfinden wollen, wer die teure Drohne vom Himmel gewischt hat.

*

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Kurzgeschichte Mystery

Was ist ein NPC?

90th gone
© Lucienne

Karsten ging in die Kneipe um die Ecke. Seine Frau und seine Kinder haben diese Abend wieder den typischen Stress veranstaltet, sodass er nur diese Möglichkeit der Flucht für sich sah. Früher war das anders. Er dachte an die schönen Stunden, die sie miteinander verbrachten. Die tiefen Gespräche welche er mit ihr führte. Wenn sie ihre gegensätzlichen Meinungen und Ansichten abglichen und sich einander ergänzten.

Damals…

Er wollte nur ein paar Bier trinken, während Judith die Kinder ins Bett brachte. Vielleicht blieben Judith und ihm ja noch ein oder zwei Stunden und sie konnten sich einen Film ansehen. Morgen würde er wieder endlose Meetings ertragen müssen, in der sich die ganzen Egomanen mit denen er zu tun hatte, profilieren würden.

Er setzte sich an die Theke und bestellte ein Bier.

„Was ist ein NPC?“

„Bitte?“

Die Frau neben ihm quatschte ihn an:

„Haben Sie sich schon mal die Frage gestellt, warum da „draußen“ so viele Menschen wie Roboter agieren?“

„Nein, habe ich nicht.“

Karsten trank den ersten Schluck seines Biers. Das fehlte ihn noch, hochgeistige Gespräche nach so einem Tag!

„Wissen sie, die bewegen sich durch die Welt wie in einem Traum. Folgen denselben Routinen, tagein, tagaus. Stehen auf, gehen malochen, konsumieren Informationen, agieren mit Mitmenschen in immer derselben Art, verteidigen ihre „Art“ zu leben mit fanatischem Eifer, kommen nach Hause und konsumieren Mainstream. Vielleicht ist da noch jemand an ihrer Seite, der genauso dahinvegetiert oder aufgrund seiner Andersartigkeit dahinsiecht.“

Karsten beschlich ein ungutes Gefühl. Er fühlte sich ertappt. Die Frau beschrieb da gerade seinen Tag. Nein, sein Leben!

„Sie sind unflexibel, unfähig ihren gewohnten, programmierten Routinen, ihren Programmen zu entfliehen. Sie sind unbewusst.

Sie sind ohne Bewusstsein.

Unbeseelt.“

Das Gespräch, eher ein Monolog, hinterließ ein schales Gefühl, ein Unbehagen bei Karsten.

„Sehen sie, oft habe ich mich gefragt warum Menschen unbeseelt sind. Wir leben in einem Universum, dass einem universellen Geist entsprungen ist. Das heißt wir sind Fraktale desselben. Unseren Erinnerungen beraubt, hilflos suchend, nach dem verlorenen Wissen. Unsere Fähigkeiten verdrängt durch Angst, Mangel, Reizüberflutung und Giften.

Doch der universelle Same ist in uns, unzerstörbar, fest verwurzelt.

Ein einziger Tropfen wahren Wissens und nichts kann sein Erwachen aufhalten. Dann gelangen wir zu Bewusstsein.“

„Sie, sie…wieso reden sie über solche Dinge mit mir? Ich kenne Sie doch gar nicht!“

„Wirklich? Fühlen sie sich nicht ertappt, unbehaglich?“

„Ich…wirklich ich verstehe nicht was sie mir da erzählen!“

Karsten wäre längst aufgestanden oder hätte eine scharfe Zurechtweisung geblafft, säße da nicht eine attraktive Frau.

Sie lächelte ihn charmant an.

„Meine Theorie zu den NPC´s ist folgende: Wenn unser Universum ein Ausdruck, ein Gedanke des universellen Geistes ist und alles nur Kraft der Gedanken entstanden ist, dann sind die Möglichkeiten schier unbegrenzt. Es gibt unendliche Universen in denen unendliche Ich´s existieren. Gute Welten, schlechte Welten. Welten, in denen ich reich oder berühmt bin. Welten mit guten Partner oder Schlechten. Mit Frieden oder Krieg.“

Karsten war fasziniert von ihren Ausstrahlung. Es war unmöglich sich Ihrer zu entziehen.

„Aber wissen sie was? Es ist nur immer ein Bewusstsein möglich. Sie sind in diesem Multiversum einmalig. Also können sie auch unmöglich in allen Körpern der unendlichen Möglichkeiten existieren.“

Noch immer lächelte sie dieses verschwörerische Lächeln. Karsten verstand kein Wort!

„Nur ein Möglichkeit pro Bewusstsein! In allen anderen Körpern laufen rudimentäre Programme. Diese Körper sind zwar biologisch, doch so etwas wie Bio-Roboter. Sie folgen ihrer Programmierung. Aber das hatten wir ja schon.“

Karsten hatte den Faden längst verloren. Sein ganzes Sein war auf diese Augen ausgerichtet, die Ausdruckskraft, die Seele in die er blickte.

„Eins noch,“ ein letztes Mal blickte sie Karsten an, als wolle sie ihm eine geheime Botschaft vermitteln: „Es gibt jedoch ein Trick. Sie können zwischen den NPC´s in den verschiedenen Welten wechseln!“

Abrupt verschwand der beseelte Ausdruck in den Augen der Frau und wich der betäubten, ohnmächtigen Miene, die er jeden Tag um sich herum wahrnahm. Der Zauber war verschwunden.

„Wer sind sie?“

„Was geht dich das an? Gott, welch plumpe Anmache!“

Die Frau stand auf und ging ans andere Ende der Theke und setzte sich dort um ein weiteres Bier zu bestellen.

Karsten war war völlig perplex. Seine Gedanken rasten. Was hatte er da gerade erlebt? Er knallte einen Zehner auf den Tresen und eilte nach Hause. Als er die Tür aufriss und lospolterte:

„Judith, du glaubst nicht, was…“

Zischte sie ihn an:

„Verdammt Karsten, die Kinder sind gerade eingeschlafen! Geht es etwas leiser?“

Verständnislos schaute er Judith in die Augen. Was er dort sah, war eine Reflexion, die er heute schon einmal gesehen hatte. Es war als würde er das erste Mal in diese Augen schauen. Nein, er hatte tausende Male hingesehen, aber nie hatte er hineingeschaut.

Ruhig betrachtete er Judith, sah sie, vielleicht zum ersten Male.

Er wandte sich ab, hängte die Jacke an die Garderobe, legte den Haustürschlüssel in die Schale, setzte sich an den Tisch und schaltete den Fernseher ab.

„Judith, bitte setze dich zu mir.“

Es würde eine sehr interessante Nacht werden.

ENDE

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Kurzgeschichte Mystery

Grenzland

Grenzland
© Dan Prescot

Ich liebe es an der schmalen Linie zwischen den Welten zu wandeln. Mich sanft über den Grad der Rationalität in den Surrealismus treiben zu lassen und die Gesetze in diesem vertrauten und doch stets verdrängten Reich auf die Probe zu stellen.

Es begann vor einer halben Ewigkeit. Inzwischen kenne ich den Wert dieses Wortes.

Ich war auf die Suche nach meiner Identität, experimentierte mit vielen Methoden. Bedenklichen, obskuren, lächerlichen und gefährlichen Möglichkeiten, um meine Bestimmung zu finden.

Ich tauschte mich mit Verbündeten aus. Wir waren die heimlichen Verschwörer, die jeden Tag nach den Strukturen der Welt suchten. Wir lasen die geheimen Bücher, spielten die verbotenen Spiele und waren in einer Subkultur zu Hause, deren Mitglieder einander erkannten, wenn sie sich begegneten.

Immer war einer von uns der Entdeckung seiner Bestimmung nah. Um dann tags darauf festzustellen, nicht den richtigen Pfad gefunden zu haben und alles sich wieder in dem flüchtigen Rauch der Illusion verlor.

Es war ein langer ereignisreicher Tag gewesen, dem eine sehr kurze Nacht vorausgegangen war. Dieser Abend endete wieder nach Mitternacht und ich beschloss, mit dem Ende des gelesenen Kapitels schlafen zu gehen.

Auf meinem Rücken liegend wurde ich daran erinnert, dass Vollmond war, denn mein Schlafzimmer war in ein unwirkliches Zwielicht getaucht. Jeder Gegenstand war zwar deutlich erkennbar, aber fremd und unwirklich.

Ich ließ meinen Blick vom Fenster über die dunkle Deckenlampe zur Tür, entlang der Wand zu meinem Nachttisch und der Lampe darauf wandern.

Jedes dieser Details kannte ich, hatte sie unzählige Male in derselben Weise betrachtet. Und doch, etwas war anders.

Mit diesem Gedanken schlief ich ein.

Und wachte wieder auf!

Suchte erneut das Fenster. Es war nur eine leichte Bewegung mit dem Kopf, mehr nicht. Wanderte dieselbe Strecke mit meinem Blick ab. Als ich den Kopf nach links neigte, sah ich es!

Ich erstarrte. Unfähig, auch nur einen einzigen Finger zu rühren. So sehr ich mich auch bemühte aufzuspringen und fortzulaufen, mein Körper wollte einfach nicht meinen Befehlen gehorchen. Selbst mein Kopf konnte sich nicht von der unwirklichen Szene abwenden.

Neben meinem Nachttisch hockte ein mannsgroßes Wesen! Es war soweit ich das sehen konnte, unbekleidet und dunkelrot. Aus seinem haarlosen Haupt wuchsen Hörner und hinter seinem Rücken, weit über seinen Schädel, konnte ich zusammengefaltete ledrige Flügel erkennen. An deren Spitze nach innen geneigten Krallen thronten.

Er hockte nur da und sah mich in vollkommener Konzentration an. Sein ebenmäßiges Gesicht war bar jeder Emotion. Nach einem nicht enden wollenden Zeitraum, hob er langsam seine rechte Hand und näherte sich damit meiner Stirn.

Mühelos, ohne dass ich irgendetwas spüren konnte, drangen seine Finger in meine Stirn ein!

Ich schrie voller Entsetzen!

Ich schrie aus Leibeskräften!

Und wachte wieder auf!

Ich blickte auf das Fenster. Es war eine kurze, heftige Bewegung mit dem Kopf, um zum Nachttisch zu sehen. Der Platz daneben war leer!

Erst jetzt setzte sich mein Körper in Bewegung und betätigte den Schalter der Lampe.

Das aufflammende Licht brachte Vertrautheit aber keine Sicherheit. Immer noch war ich nicht bereit, der Realität zu vertrauen, die einem solchen Wesen die Existenz verbot!

In dieser Nacht fand ich keinen Schlaf mehr und der Arbeitstag darauf war nur sehr kurz.

Ich konnte es nicht erwarten, das Erlebte mit meinen Vertrauten zu teilen. Wir sprachen lange über das Ereignis und die sich daraus ergebenen Möglichkeiten.

Noch immer fasziniert mich die Lebendigkeit, mit der dieser Traum vor meinem geistigen Auge auflebt, wenn ich mich erinnere. Seit dieser Zeit erachte ich keinen meiner Träume mehr als gering und versuche mich stets an das darin Erlebte zu erinnern.

Dabei liebe ich es, entlang der schmalen Linie zwischen den Welten zu wandeln. An dem Grenzland, wo wachen und träumen sich vermischen und alles möglich ist.